Geopolitischer Umbruch verschärft Krise – Strukturreformen noch dringlicher

Weyerstrass, KlausORCID: https://orcid.org/0000-0002-5659-8991; Fortin, InesORCID: https://orcid.org/0000-0003-4517-455X; Koch, Sebastian P.ORCID: https://orcid.org/0000-0002-3946-7551 and Grozea-Helmenstein, DanielaORCID: https://orcid.org/0000-0003-3904-7423 (10 April 2025) Geopolitischer Umbruch verschärft Krise – Strukturreformen noch dringlicher. Gemeinschaftsdiagnose (1). Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose, 95 p.

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Abstract

Die deutsche Wirtschaft befindet sich weiterhin in der Krise. Der Beginn des Jahres 2025 ist geprägt von erheblichen innen- aber auch außenpolitischen Veränderungen. In Deutschland ist die wirtschaftspolitische Unsicherheit angesichts des Regierungswechsels hoch. Gleichzeitig belastet die protektionistische Handelspolitik der USA die deutsche Konjunktur. Zudem hat sich mit der neuen Regierung in den USA die Sicherheitslage in Europa verschlechtert. Vor diesem Hintergrund haben Bundestag und Bundesrat die Finanzverfassung Deutschlands grundlegend geändert und weitreichende öffentliche Verschuldungsspielräume geschaffen.

Die wirtschaftliche Schwäche in Deutschland ist nicht nur konjunktureller, sondern auch struktureller Natur. So sehen sich deutsche Unternehmen einem verstärkten internationalen Wettbewerb vor allem aus China ausgesetzt. Zudem scheint seit der Energiekrise ein Teil der Produktion in der energieintensiven Industrie dauerhaft weggefallen zu sein. Eine schwindende Erwerbsbevölkerung und hoher bürokratischer Aufwand sind weitere strukturelle Schwächen, unter denen die deutsche Wirtschaft leidet.

Wie eine neue Bundesregierung auf diese strukturellen Herausforderungen reagiert, ist derzeit noch unklar. Allerdings stehen bereits aufgrund der Grundgesetzänderungen erweiterte Verschuldungsspielräume von Bund und Ländern zur Verfügung, die für Verteidigung, andere sicherheitspolitische Belange, Klimaschutz und Infrastruktur verwendet werden können.

Die kurzfristige wirtschaftliche Aktivität dürfte von den Belastungen durch die neuen US-Zölle sowie der nach wie vor hohen Unsicherheit bestimmt werden. Der Handelskonflikt dürfte bereits durch die Autozölle den Zuwachs des Bruttoinlandsproduktes in diesem Jahr und kommenden Jahr jeweils um 0,1 Prozentpunkte verringern, die Effekte der Anfang April neu eingeführten weitreichenden Zölle sind hierbei noch nicht berücksichtigt. Haben sie Bestand, so wäre der dämpfende Effekt der US-Zollpolitik in etwa doppelt so stark. Die konkreten Auswirkungen sind jedoch schwer zu quantifizieren, da im derzeitigen globalisierten Wirtschaftsgefüge Zollsätze noch nie so stark angehoben wurden.

Das Bruttoinlandsprodukt dürfte in diesem Jahr mit einem Anstieg um 0,1 % kaum mehr als stagnieren. Damit revidieren die Institute die Prognose vom Herbst 2024 recht deutlich um 0,7 Prozentpunkte nach unten. Insbesondere im Sommerhalbjahr 2025
ird inzwischen die Dynamik aufgrund der US-Zollpolitik schwächer eingeschätzt. Damit verzögert sich die erwartete Erholung. Im weiteren Prognosezeitraum dürfte eine voraussichtlich expansive Finanzpolitik die Konjunktur beleben. Im kommenden Jahr dürfte das Bruttoinlandsprodukt um 1,3 % steigen, wobei 0,3 Prozentpunkte der höheren Zahl an Arbeitstagen zu verdanken sind. Damit ist die Rate gegenüber der Herbstprognose unverändert, das Niveau der Wirtschaftsleistung ist aber 0,8 % niedriger.

Erhebliche Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland gehen von der Handelspolitik der USA aus. Die zum 2. April seitens der USA angekündigten allgemeinen Zollerhöhungen deuten eher in die Richtung einer weiteren Eskalation. Die negativen Wirkungen auf beide Wirtschaftsräume dürften dann deutlich stärker sein als in dieser Prognose unterstellt. Allerdings könnten Verhandlungen zwischen der EU und den USA den transatlantischen Konflikt auch entschärfen, bis hin zu einem vollständigen Verzicht auf bilaterale Zölle. Zudem ist die Schätzung der gesamtwirtschaftlichen Effekte der durch die Grundgesetzänderung möglichen höheren Ausgaben für Verteidigung und Investitionen mit großen Unsicherheiten behaftet, da sie von einer Reihe von Faktoren abhängen, deren Ausprägung derzeit noch nicht bekannt ist.

Item Type: Other
Funders: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (Deutschland)
Research Units: Business Cycles, Growth and Public Finances
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Date Deposited: 14 Apr 2025 07:52
Last Modified: 14 Apr 2025 07:55
URI: https://irihs.ihs.ac.at/id/eprint/7206

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